In der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) treffen wir verbindliche Entscheidungen zu Bebauungsplänen. Verfassungsrechtlich ist festgelegt: Die Planungshoheit über städtebauliche Entwicklungen liegt bei den Gemeinden – und damit in Berlin bei den Bezirken. Aus gutem Grund, denn es sind die demokratisch legitimierten lokalen Gremien, die die Bedarfe und Konflikte vor Ort am besten kennen. Doch seit der Wiederholungswahl 2023 erleben wir eine zunehmend offene Aushöhlung dieser Hoheit. Die SPD-geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung greift immer häufiger in zentrale Planungsprozesse ein, ignoriert demokratische Verfahren und entzieht dem Bezirk seine Kompetenzen.
Fallbeispiel „Urbane Mitte“ am Gleisdreieck
Nach intensiven Debatten hat sich der Bezirk für eine Neubewertung des Bauprojekts eingesetzt. Die Pläne des Projektentwicklers sind veraltet, Bürohochhäuser im Park aus der Zeit gefallen. Der Bezirk sprach sich für eine maßvolle, klima- und anwohnerfreundliche Entwicklung des südlichen Bauabschnitts aus. Der Senat aber stellt sich demonstrativ an die Seite der Investoren, zieht das Verfahren an sich und übergeht alle Kritik aus Zivilgesellschaft, Bezirksgremien und Fachöffentlichkeit. Baustadtrat Florian Schmidt bringt es auf den Punkt: „Wir erleben eine gefährliche Entwicklung: Die Landesebene reißt sich die Projekte unter den Nagel, wenn ihr die Ergebnisse der bezirklichen Planung nicht passen.“
Ein ähnliches Spiel am Rudolfband in Friedrichshain
Dort plant der Senat offenbar, statt bezahlbarem Gewerbe und Grünflächen einen Eigentumswohnungsturm gegenüber dem Amazon-Tower zuzulassen. Damit würde er die Ergebnisse jahrelanger Beteiligungsprozesse ignorieren und demokratische Gremien zu Statisten degradieren. Ursprünglich vorgesehen war hier eine Mischung aus Handwerk, urbaner Produktion, Kultur und öffentlichen Freiflächen. Senator Gaebler setzte dem Bezirk ein Ultimatum: Komme dieser dem Wunsch nach Eigentumswohnungen nicht nach, ziehe der Senat auch dieses Verfahren an sich. Das ist der falsche Weg. Ja, wir brauchen mehr Wohnraum – aber bezahlbaren. Stadtentwicklung darf nicht gegen, sondern nur mit den Menschen gestaltet werden.
Autoritärer Zugriff des Senats beim Görlitzer Park
Während unsere Grüne Bürgermeisterin klar gegen einen Zaun um den Park Position bezieht, hält der Regierende Bürgermeister an dieser Symbolpolitik fest. Zuletzt wurde unser Antrag auf ein städtebauliches Fördergebiet „Kreuzberg-Ost“ ohne inhaltliche Prüfung abgelehnt – aus rein politischen Gründen. Der Bezirk hätte damit dringend benötigte Mittel für soziale und infrastrukturelle Projekte erhalten. Ein Skandal, der zeigt, wie Mittel nach Gutsherrenart vergeben und kritische Bezirke abgestraft werden.
Das Muster ist bekannt
Auf dem Tempelhofer Feld ignoriert der Senat ebenfalls die Ergebnisse seines eigenen Dialogprozesses und drückt die Randbebauung durch. Passend dazu hat Kai Wegner eine von oben angesetzte Volksabstimmung parallel zur nächsten Berliner Wahl 2026 angekündigt – ein durchsichtiges Manöver. Friedrichshain-Kreuzberg wird zum Paradebeispiel einer Top-down-Politik von Schwarz-Rot: Beteiligungsprozesse werden entwertet, BVV-Beschlüsse missachtet, bezirkliche Planungskompetenz unterlaufen. Dabei sind es gerade die Bezirke, die als erste demokratische Ebene funktionieren müssen, wenn das Vertrauen in Politik und Verwaltung erhalten bleiben soll. Werden diese Strukturen geschwächt, verliert die Demokratie an Glaubwürdigkeit. Als Grüne in Friedrichshain-Kreuzberg stehen wir für eine gemeinwohlorientierte, sozial gerechte und ökologische Stadtentwicklung – im engen Dialog mit der Stadtgesellschaft. Dafür brauchen wir Handlungsspielräume, respektierte Verfahren und echte Mitsprache. Wer Bezirke entmachtet und Stadtentwicklung zur Chefsache macht, beschädigt den politischen Diskurs und untergräbt das Fundament einer solidarischen, demokratischen Stadt. Berlin braucht endlich eine Stadtpolitik, die auf Beteiligung, Transparenz und demokratische Aushandlung setzt – und nicht auf das Durchregieren von oben.
Beitrag von Maria Haberer aus dem Xhain-Stachel Nr. 76, 2025/2