Mündliche Anfrage gestellt von Claudia Schulte, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 21. Mai 2025
Ich frage das Bezirksamt:
- Welche Informationen liegen dem Bezirksamt zum bekanntgewordenen Schutzschirmverfahren des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte vor bzw. welche Einrichtungen und Angebote im Bezirk sind konkret davon betroffen?
- Welche Möglichkeiten sieht das Bezirksamt für den Erhalt dieser Angebote bzw. Einrichtungen, auch der EU- und senatsgeförderten Einrichtungen?
- Inwiefern ist das Bezirksamt dazu schon aktiv geworden?
Es antwortet Max Kindler, Bezirksstadtrat, Abt. Jugend, Familie und Gesundheit
zu 1. Welche Informationen liegen dem Bezirksamt zum bekanntgewordenen Schutzschirmverfahren des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte vor bzw. welche Einrichtungen und Angebote im Bezirk sind konkret davon betroffen?
Vielleicht noch kurz vorweg: In den Beantwortungen sind Zuarbeiten aus verschiedenen Bereichen eingeflossen, weil die Diakonie in ganz vielen Bereichen bei uns im Bezirk aktiv ist, u.a. das Jugendamt, das Sozialamt oder auch die QPK. Dass der Träger finanzielle Schwierigkeiten hatte, konnte man in einem Artikel in der Berliner Morgenpost vom 26.02. d. J. entnehmen. Das Diakonische Werk Stadtmitte hat am 13. Mai d. J. auf seiner Homepage ein FAQ veröffentlicht und dort einige Informationen bereitgestellt, von denen das Bezirksamt etwas später Kenntnis erlangt hat.
Das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg wurde am 15.05. d. J. offiziell über die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverantwortung durch das Diakonische Werk Berlin Stadtmitte e.V. informiert. Das Amtsgericht Charlottenburg hat den Antrag am 13.05. d. J. stattgegeben. Laut Schreiben ist Ziel des Schutzverfahrens die langfristige Sanierung bei Fortführung des Geschäftsbetriebs unter Leitung des bestehenden Vorstandes. Der Verein ist nicht zahlungsunfähig. Daher besteht Handlungsspielraum. Löhne sind für drei Monate durch die Bundesagentur für Arbeit gesichert. Danach sollen sie vom Verein bezahlt werden.
Alle Einrichtungen und Beratungsangebote sollen nach jetzigem Stand aufrechterhalten werden. Ein Runder Tisch für Kooperationspartner findet am 26.05., also sprich in zwei Tagen, statt.
Die betroffenen Einrichtungen und Angebote des Jugendamtes im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wären das Familienzentrum TAM hier in Kreuzberg und das FUN in Friedrichshain bei der Modersohnbrücke. Das FUN ist bezirklich- und senatsfinanziert, quasi geteilt.
Und zum Dritten: Drei Angebote in der Familienbildung, Familienleben von Anfang an aufsuchen, bezirklich- und senatsfinanziert über das Flexibudget. ELBA, Elternberatung in Kinderarztpraxen senatsfinanziert über Flexibudget und der Stadtteil Mütter-Projekt, da sind 19 Stellen finanziert plus Koordination, auch da eine Mischung aus bezirklicher und Senatsfinanzierung.
Die Diakonie ist im Bereich der Familienförderung ein zentraler und verlässlicher Kooperationspartner des Jugendamtes, der mit vielen bedarfsorientierten Angeboten im gesamten Bezirk präsent ist. Entsprechend groß ist das Interesse des Bezirks, diese Angebote, die dahinterliegenden Strukturen dauerhaft für den gesamten Bezirk zu sichern.
Das Familienzentrum TAM nimmt im Bezirk eine herausragende Stellung ein. Es vereint vielfältige Angebote für Familien unter einem Dach und schafft dadurch einen niedrigschwelligen leichtzugänglichen Ort der Unterstützung, Begegnung und Beratung. Besonders hervorzuheben ist das integrierte Konzept, das Eltern und Kinder gleichermaßen anspricht und unterschiedlichste Bedarfe an einem Ort aufgreift, von frühkindlicher Förderung über Elternberatung bis hin zu Austausch- und Beteiligungsformaten.
Gerade für Familien mit besonderer Belastung oder Unterstützungsbedarf in der Region entfaltet dieses ganzheitliche Angebot eine große Wirksamkeit. Die enge Verzahnung der einzelnen Bausteine am selber Ort ermöglicht nicht nur eine schnelle Hilfe, sondern stärkt auch das Verhalten in die Angebote und die Nachhaltigkeit der Unterstützung.
Dem Amt für Soziales liegen derzeit keine Hinweise vor, dass Angebote des Diakonischen Werks im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aufgrund des Schutzschirmverfahrens eingeschränkt oder gefährdet sind. Das Amt für Soziales fördert drei Projekte des Diakonischen Werks Berlin Stadtmitte. Die wohnungslosen Tagesstätten am Wasserturm, das EU-kofinanzierte Projekt Wege aus der Ausgrenzung sowie die Schuldner- und Insolvenzberatung, Beratungsstelle für Überschuldete. Diese Angebote sind nach jetzigem Stand nicht von Einschränkungen betroffen und werden planmäßig weitergeführt.
Die QPK als Zuwendungsgeber hat von dem Verfahren offiziell Kenntnis einer Nachricht am 15.05. wie auch das Jugendamt erhalten. Andere oder weitere Informationen liegen hier nicht vor.
Im Bereich der QPK ist die Kreuzberger Alkohol- und Medikamentenberatungsstelle betroffen. Weitere Einrichtungen des Trägers aus dem Bereich der Suchthilfe, z. B. betreuten Wohnen, werden entgeltfinanziert. Sie sind ebenfalls ein wichtiger Baustein des bezirklichen Vorsorgesystems.
zu 2. Welche Möglichkeiten sieht das Bezirksamt für den Erhalt dieser Angebote bzw. Einrichtungen, auch der EU- und senatsgeförderten Einrichtungen?
Falls das Schutzschirmverfahren nicht erfolgreich wäre, müssten zum Erhalt der Angebote Überleitungsmaßnahmen oder Neuausschreibungen für betroffene Einrichtungen, insbesondere Kitas und Familienzentren erfolgen.
Im Kita-Bereich könnte es im Kontext rückläufiger Kinderzahlen zu Schließungen kommen, da muss man sich ehrlich machen. Ziel ist es jedoch, im Vorfeld alle Optionen zur Stabilisierung des Trägers und zur Sicherung der Angebote zu prüfen und zu nutzen.
Im Rahmen des laufenden Haushalts sind jedoch alle verfügbaren Mittel der Ämter sowohl Jugend als auch Soziales fest verplant. Eine Kompensation oder zusätzliche Finanzierung aus bezirklichen Mitteln ist daher nicht möglich.
Auch im Rahmen der Haushaltsplanaufstellung 26 / 27 ist eine Ausweitung der bezirklichen Förderung angesichts der angespannten Haushaltslage wenig wahrscheinlich. Gleichzeitig ist das Bezirksamt an einem Erhalt der bestehenden Angebotsstruktur interessiert. Die Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk Berlin Stadtmitte verläuft seit Jahren stets vertrauensvoll und konstruktiv und die Einrichtungen leisten sehr wertvolle Arbeit für besonders benachteiligte Zielgruppen. Entsprechend wird der Fortbestand der Angebote klar befürwortet.
Die Finanzierung der Kreuzberger Alkohol- und Medikamtenberatungsstelle läuft über das Psychiatrieentwicklungsprogramm PEP, sodass die Mittel auch in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen. Laut Mitteilung des Trägers sollen die Angebote fortgeführt werden.
Das Bezirksamt unterstützt die Fortführung, weil die Angebote vor Ort sehr gute Arbeit leisten.
zu 3. Inwiefern ist das Bezirksamt dazu schon aktiv geworden?
Es besteht bereit ein enger Kontakt zwischen dem Jugendamt, dem Facilitymanagement und dem Träger. Der Träger hat wiederholt auf unzureichende Finanzierung hingewiesen, insbesondere auf zu niedrige Verwaltungs- und Regiepauschalen.
Bei der Gebäudeinstandhaltung kam es zu Verzögerungen oder unterlassene Maßnahmen. Gemeinsam wurden Lösungen zur Unterstützung des Trägers sowie zur Sicherung der Immobilienangebote gesucht. Die Betreuung der Immobilie wurde unterstützende Strukturen überführt. Vor diesem Hintergrund fanden Objektbegehungen mit dem Hochbauamt, FM und dem Jugendamt statt.
Es wurden vom Hochbauamt Mängel festgestellt, die sofort beauftragt werden müssten – Akutmaßnahmen.
Seitens des Amtes für Soziales wurde bislang keine konkreten Schritte eingeleitet, da aktuelle keine akute Gefährdung einzelner Angebote besteht. Gespräche mit dem Träger sollen jedoch zeitnah aufgenommen werden. Hier bleibt insbesondere abzuwarten, welche nächsten Schritte sind, die am 26. Mai, also sprich in zwei Tagen beim Runden Tisch der Kooperationspartner mit dem Diakonischen Werk Stadtmitte vereinbart werden.
Soweit erst mal zu den ersten Fragen, vielleicht gibt es auch noch Nachfragen – vielen Dank.
Herr Pross: Ja vielen Dank und auch schon mal vielen Dank für die umfassende Beantwortung. Die erste Zusatzfrage lautet: Wie bewertet das Bezirksamt die im Raum stehende Abwicklung der zuwendungsfinanzierten Projekte z.B. der Unterkunft für wohnungslose Familien in der Wrangelstraße oder das Projekt Stadtteil-Mütter. Teilweise wurde was dazu gesagt, aber ich erhalte die Frage.
Vielen Dank an der Stelle für die Nachfrage. Ich habe ja einiges auch schon ausgeführt. Ich würde jetzt vielleicht noch mal ein, zwei Punkte betonen: Ich habe ja dargestellt, dass wir die Angebote extrem wichtig finden bei uns im Bezirk im Rahmen der Strukturen, die wir haben, um Menschen zu unterstützen.
Am Ende kämpfen wir natürlich darum, dass wir mit dem Träger weiter arbeiten können, weil wir wissen, dass wir da gute Strukturen haben, auch eine Expertise vorhanden ist.
Aber Angebote, die zuwendungsfinanziert sind oder über Leistungsverträge, können auch von verschiedenen Partnern durchgeführt werden. Dann kann es auch dazu kommen, wenn das Schutzschirmverfahren eben nicht erfolgreich ist, dass die jeweiligen Leistungen neu ausgeschrieben werden und dann auch mit anderen Projektpartnern fortgeführt werden. Eins ist für uns ganz klar: Das Geld, was für die Projekte da ist, möchten wir für die Projekte ausgeben und damit auch diese Struktur erhalten.
Mir geht es und uns geht es als Bezirksamt vor allem darum, das Beste an Struktur für Obdachlose, für Familien, für Jugendliche und für Kinder hier im Bezirk anbieten zu können. Dazu haben wir und brauchen wir starke Partner und wünschen uns, dass die Diakonie Berlin Stadtmitte weiterhin ein starker Partner bleibt. Aber wie gesagt, kann man am Ende auch andere Verläufe nicht ausschließen an der Stelle.
Bei den Stadtteil-Müttern, sind ja über drei Wege finanziert, bezirklich finanziert, senatsfinanziert und über 16 I-Stellen und im Bereich 16 I-Stellen wurden auch schon, sage ich mal, das Geschäfts abgestoßen seitens des Träger. Da wurde ein neuer Träger auch gefunden, der die 16 I-Maßnahmen quasi begleitet und die Stadtteil-Mütter darüber auch weiterhin beschäftigt und diese wertvolle Arbeit auch Familien zu Gute kommen lässt.
Herr Pross: Ja, vielen Dank noch mal. Die zweite Zusatzfrage lautet: Werden die Personalkosten für die Monate Mai, Juni, Juli vom Bezirk weiter zugewendet, obwohl die Personalkosten in diesen drei Monaten von der Agentur für Arbeit gezahlt werden?
Vielen Dank für die weitere Nachfrage. Ich habe es ja ausgeführt, dass das Jobcenter die Personalkosten trägt. Eines ist aber für uns ganz klar, dass es keine Doppelfinanzierung geben wird und deswegen nicht über Leistungsverträge respektive Zuwendungen Personalkosten zahlen, wenn gleichzeitig mit Finanzierung der Kosten über Jobcenter stattfindet. Da werden wir jetzt prüfen, inwieweit diese Kooperation da vorhanden ist und werden da auch entsprechende Maßnahmen einleiten, aber klar ist auch und verständlich, dass wir nicht doppelt Dinge finanzieren.
Vielleicht auch noch mal zur Info: Zum Thema Verwaltungs- und Regiekosten, weil das ja auch ein Thema ist, was die Träger auch beschäftigt, wie viel sie aus den Geldern, die sie bekommen für die konkrete Leistung, gebunden sind in Personalkosten für die Leistung vor Ort und was sie nutzen können für …, ich nenne es mal „Overhead“…kosten, das sind bei uns im Bezirk 8%, die dann genutzt werden können im Endeffekt für Regie- und Verwaltungskosten. Auf Landesebene 5%, damit liegen wir im Bezirk schon darüber. Man muss sagen, das zu erhöhen, das können wir als Bezirk uns nicht leisten, sondern auch die Landschaft sage ich mal im Bereich der Träger durcheinanderbringt, wenn man das jetzt einseitig macht als Bezirk – dass vielleicht nur als kleine Information ergänzend.