Mündliche Anfrage gestellt von Taina Gärtner, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 16. Juli 2025

Ich frage das Bezirksamt:

  1. Welche konkreten Maßnahmen ergreift das Bezirksamt, um eine kontinuierliche psychosoziale Betreuung der betroffenen 995 Kinder und Jugendlichen, die im Bezirk in Wohnungslosenunterkünften (ASOG-Unterkünfte (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz)) untergebracht sind, sicherzustellen – insbesondere angesichts der instabilen Lebensverhältnisse und häufigen Umzüge?
  2. Wie lange ist deren durchschnittliche Verweildauer in den Unterkünften?
  3. In welcher Form arbeitet das Bezirksamt mit Schulen, Jugendämtern, Kitas und freien Trägern zusammen, um frühzeitig psychosoziale Risiken bei diesen Kindern und Jugendlichen zu erkennen und ihnen langfristige Unterstützung zu bieten?

Es antwortet Max Kindler, Bezirksstadtrat, Abt. Jugend, Familie und Gesundheit in Vertretung für Regine Sommer-Wetter, Stellvertretende Bezirksbürgermeisterin, Abt. für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales

zu 1. Welche konkreten Maßnahmen ergreift das Bezirksamt, um eine kontinuierliche psychosoziale Betreuung der betroffenen 995 Kinder und Jugendlichen, die im Bezirk in Wohnungslosenunterkünften (ASOG-Unterkünfte (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz)) untergebracht sind, sicherzustellen – insbesondere angesichts der instabilen Lebensverhältnisse und häufigen Umzüge?

Kinder und Jugendliche, die in Wohnungslosigkeit geraten, sind in besonderem Maß schutzbedürftig, unabhängig davon, wie viele Kinder im Bezirk tatsächlich betroffen sind… ist klar. Jedes einzelne Kind hat Anspruch auf Schutz, Begleitung und Teilhabe. Zum Stichtag am 30. Juni d. J. begleitet die Fachstelle Soziale Wohnhilfe Friedrichshain-Kreuzberg 664 Kinder und Jugendliche im Alten von 0 bis 18 Jahren, die berlinweit in ASOG-Unterkünften untergebracht sind.

Die Zuweisung erfolgt durch die Fachstelle Soziale Wohnhilfe, die im Einzelfall prüft, welche Unterkunft für die jeweilige Familiensituation geeignet ist. Familien mit Kindern werden vorrangig in familiengeeignete Unterkünfte vermittelt. Nach der Zuweisung erfolgt die Anmeldung im Bezirk. Anschließend erfolgt die Anmeldung an der Schule und Kita. In der Regel bleiben die Familien möglichst über die gesamte Unterbringungsdauer in derselben Unterkunft. Umzüge sind selten. In den Unterkünften im Bezirk ist gemäß Mindeststandards qualifiziertes Betreuungspersonal vorgesehen. Sozialarbeiter und Sozialpädagogen stehen dort als erste Ansprechperson zur Verfügung, sowohl für Eltern als auch für Kinder und Jugendliche. Diese Betreuung wird durch die Träger der Unterkünfte sichergestellt.

Darüber hinaus erarbeitet die Fachstelle Soziale Wohnhilfe aktuell gemeinsam mit den Trägern im Bezirk ein Kinderschutzkonzept, das mit dem Jugendamt abgestimmt wird. Ziel ist ein einheitliches Handeln in Kinderschutzfragen, auch bei wechselnden Standorten oder Trägern. Der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst KJGD bietet entsprechend sein Gesundheitsdienstgesetz GDG und im Gesetz über Hilfe und Schutzmaßnahmen bei psychischen Erkrankungen PsychKG definierten Aufgaben niedrigschwellige Beratung und subsidiäre Diagnostik und Hilfevermittlung für jene Minderjährige an, die von Störungen der psychischen Gesundheit betroffen sind und aus gesundheitlichen, sozialen, sprachlichen, kulturellen oder finanziellen Gründen keinen ausreichenden oder rechtlichen Zugang zu dem Hilfesystem finden oder denen komplexer Hilfebedarf, besonders Koordinierung z. B. Vernetzung und Begleitung und Versorgung in neuem Bezirk, bei Umzug und Betreuung erforderlich macht.

Der Sozialdienst der Kinder- und Jugendgesundheitsdienste bietet die Leistungen des Ersthausbesuches allen Familien mit Kindern unter 1 Jahr an. Es handelt sich vor allem um eine Lotsenfunktion, um passgenaue Angebote über Multiplikatoren wie Stadtteilmütter und Integrationslotsen sozialräumlich zu versorgen bzw. anzubinden. Für besondere Anliegen und Zielgruppen in Unterkünften wird vom KJGD in Fachberatungsstellen vermittelt. Viele freie Träger arbeiten überbezirklich, so dass zumindest hier eine kontinuierliche Beratung bzw. Betreuung möglich werden kann, auch bei wiederkehrenden Umzügen.

zu 2. Wie lange ist deren durchschnittliche Verweildauer in den Unterkünften?

Die durchschnittliche Verweildauer von Familien in Einrichtungen liegt bei 1 bis 2 Jahren. Bereits bei der Erstaufnahme erfolgt eine individuelle Anamnese, auf deren Grundlage eine Hilfeplan erstellt wird. Dieser kann gesundheitliche, psychosoziale und strukturelle Bedarfe abbilden und wird fortgeschrieben. Ziel ist es, Familien in dieser belastenden Lebensphase möglichst stabil und wirksam zu begleiten.

zu 3. In welcher Form arbeitet das Bezirksamt mit Schulen, Jugendämtern, Kitas und freien Trägern zusammen, um frühzeitig psychosoziale Risiken bei diesen Kindern und Jugendlichen zu erkennen und ihnen langfristige Unterstützung zu bieten?

Die Fachstelle Soziale Wohnhilfe arbeitet fallbezogen und vernetzt mit den verschiedensten Ämtern, Fachbereichen und freien Trägern zusammen. Ziel ist es, Belastungen möglichst frühzeitig zu erkennen und konkrete Hilfe auf den Weg zu bringen. Auch der KJGD ist mit allen genannten Institutionen in regem Kontakt und sitzt mit den Institutionen in einer Vielzahl gemeinsamer Arbeitsgruppen zur Verbesserung der psychosozialen Versorgung von Minderjährigen in Friedrichshain-Kreuzberg. Bei Anzeichen von psychiatrischem oder psychotherapeutischen Unterstützungsbedarf kann durch die genannte Institution eine Motivation der betroffenen Familiensysteme zur Vorstellung im KJGD erfolgen.

In den Kita-Reihen- und Eingangsschuluntersuchungen des KJGDs werden Kinder mit psychosozialen Belastungsfaktoren erkannt und Unterstützung und Vermittlung wird angeboten. Angebote von Einrichtungen des Jugendamtes sowie der freien Träger z. B. Familienzentren, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Spielmobil u.v.m. im unmittelbaren Umfeld von ASOG-Unterkünften sind offene Angebote und können von allen Familien genutzt werden. Dazu gehören auch Familien, welche in ASOG-Unterkünften untergebracht sind. Mitarbeiter der genannten offenen Angebote sind sensibilisiert für diese Bedarfe und unterstützen die Familien im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Nachfrage von Frau Koterewa: Ja, vielen Dank für die Beantwortung. Frau Gärtner hatte mir noch eine Nachfrage gegeben. Unter wessen fachlicher und organisatorischer Verantwortung werden im Bezirksamt psychosoziale Unterstützungsangebote, also auch die, die Sie jetzt gerade genannt haben, speziell für diese Kinder und Jugendlichen in ASOG-Unterkünften konzeptionell entwickelt?

Ja, vielen Dank für die Nachfrage. Also erstmal gibt es an den Einrichtungen auch Standards. Und für die Kontrolle der Standards ist erstmal jede Einrichtung zuständig, aber natürlich wird diese Einrichtung vor Eröffnung und Inbetriebnahme auf die jeweils geltenden Mindeststandards überprüft. Das macht das Amt für Soziales Friedrichshain-Kreuzberg, hat dafür auch eine entsprechende Heimbegeherin eingestellt. Und… im laufenden Betrieb erfolgen turnusgemäß Begehungen in der Regel ein- bis zweimal pro Jahr. Ergänzend werden dazu anlassbezogene Kontrollen durchgeführt, etwa bei Hinweisen oder Beschwerden durch Bewohner, Träger oder Fachämter.

Und vielleicht zu der konkreten Frage noch mal auch der psychosozialen Versorgung. Ich habe es ja auch dargestellt, dass dort im Rahmen auch des Auftrages der PsychKG und auch entsprechend anderer Gesetze die Zuständigkeit subsidiär bei uns liegt im Bezirksamt, ist der KJGD zuständig, der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst, und der liegt entsprechend in meiner Verantwortung im Gesundheitsamt und macht auch dann die Untersuchungen entsprechend eben der geltenden Standards, wie es auch bei jeden anderen Kinder- und Jugendlichen der Fall wäre, der eben in die Zuständigkeit des KJGDs fällt.

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