Das umstrittene Bauvorhaben „Urbane Mitte“ im Gleisdreieckpark beschäftigt das Bezirksparlament Friedrichshain-Kreuzberg schon lange. Das Vorhaben sieht eine Bebauung von insgesamt sieben Hochhäusern auf zwei Baufeldern vor. Das Projekt ist klima- und stadtentwicklungspolitisch aus der Zeit gefallen.
Im August 2023 kam ein durch die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. und die Naturfreunde Berlin e.V. in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis, dass der städtebauliche Rahmenvertrag von 2005 keine Entschädigungsansprüche des Investors gegenüber dem Land oder dem Bezirk begründet, sollte das 2005 festgelegte Bauvolumen nicht genehmigt werden. Erst durch dieses Gutachten wurde ein Möglichkeitsraum für die BVV geschaffen, das Bauvorhaben noch einmal neu zu denken und an die aktuellen Bedarfe unseres Bezirks und seiner Bewohner*innen anzupassen.
Willkürliche Weisungen
Kaum hatte sich der Bezirk auf den Weg gemacht und einen ersten Runden Tisch veranstaltet, zog der Senat jedoch das Baufeld Urbane Mitte Süd an sich. Dann passierte lange Zeit nichts, bis sich der Senat Ende 2024 bezüglich des Baufelds Urbane Mitte Nord an das Bezirksamt wandte. Nach Mitteilung des Bezirks, dass es insbesondere aufgrund der Trassenführung der geplanten S21 erst 2027 mit dem B-Planverfahren weitergehen kann, folge die Aufforderung, das Verfahren schnellstmöglich fortzuführen. Geschehe dies nicht, würde wiederum das Bauvorhaben entzogen werden. Diese Weisung erscheint völlig willkürlich. Auch im Stadtentwicklungsausschuss wurde von unserem Stadtrat Florian Schmidt sowie der Verwaltung dargestellt, dass die Weisung so schlicht nicht umsetzbar ist. Ohne eine Planfeststellung der S21 ist der Bebauungsplan Nord nicht bis 2026 festsetzbar. Etwas das die Senatsverwaltung genauso betreffen wird. Es ist also reine Augenwischerei wenn behauptet wird, das Verfahren könne auf Landesebene schneller abgewickelt werden. Vielmehr scheinen auch hier die Interessen des Investors wichtiger zu sein, als die des Bezirksparlaments und der Bevölkerung.
Unterlassungsklagen
Aber das Thema Urbane Mitte beschäftigt die Verordneten auch abseits der konkreten Planungen. Denn die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck, ein seit Jahren geschätzter und sehr engagierter Partner, steht unter Druck. Die Eigentümerin der Urbanen Mitte Besitz S.a.r.l. geht mit Unterlassungsklagen gegen die AG und den Verfasser des Gleisdreieck-Blogs vor. Damit sollen ganz offensichtlich kritische Stimmen zum Bauprojekt am Gleisdreieck zum Schweigen gebracht werden. Denn offenbar hat auch die Immobilienbranche erkannt: Zivilgesellschaft kann etwas bewegen. Doch wir dürfen nicht zulassen, dass am Ende nur noch diejenigen ihre Meinung frei äußern dürfen, die das nötige Kleingeld haben und sich teure Anwält*innen leisten können. Das ist zutiefst undemokratisch und widerspricht unserem Verständnis einer kritischen Einmischung von Bürger*innen. Als bündnisgrüne Fraktion fordern wir deshalb gemeinsam mit Linke und SPD die Rücknahme der Klage durch den Investor.
Solidarisch an der Seite der Initiative
Zudem fordern wir die Senatsverwaltung auf, ihre offenbar guten Beziehungen zum Investor zur Abwechslung im Sinne der Bürger*innen dieser Stadt zu nutzen und darauf hinzuwirken, dass die Eigentümerin ihre Klage fallen lässt. Denn für uns ist klar: Ein Investor, der die Bürger*innen seiner Stadt mundtot klagt, ist kein verlässlicher Kooperationspartner. Diese Klagen sind nicht nur ein Schlag in das Gesicht der Beklagten, sie sind ein Angriff auf unsere Demokratie und unsere Meinungsfreiheit. Klagen gegen Bürgerinneninitiativen und ehrenamtlich engagierte Kritikerinnen bedrohen die demokratische Debatte und somit auch die gesetzlich vorgesehene Bürger*innenbeteiligung bei Bauprojekten. Die UM Besitz S.a.r.l. hat sich übrigens mit einem Schreiben an die Fraktionen gewandt, um auszudrücken, dass es ihnen überhaupt nicht um die Einschränkung der Meinungsfreiheit oder gar Einschüchterung ginge, sondern darum, zu einem sachlichen Dialog zurückzukehren. Klagen, um sachlich diskutieren zu können – ein seltsames Verständnis von Diskussionskultur und nichts, was glaubwürdig erscheint. Von daher bleibt es dabei: laut sein, kritisch sein und sich einmischen bleibt die einzige sinnvolle Reaktion auf diese Klagen. Wir stehen solidarisch an der Seite der Initiative, die beispielhaft zeigt, wie Bürger*innenengagement aussehen kann und wie wertvoll ein Miteinander von Bezirkspolitik und Zivilgesellschaft ist. Wer die Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e. V. bei der Abwehr der Unterlassungsklagen unterstützen möchte, kann eine Spende auf das Konto des Vereins überweisen. Diese Spenden sind nicht steuerlich absetzbar: Konto der Aktionsgemeinschaft Gleisdreieck e.V. IBAN: DE15 1005 0000 6603 1693 45.
Beitrag der Fraktionsvorsitzenden Sarah Jermutus aus dem Xhain-Stachel Nr. 76, 2025/2