Wer in Friedrichshain-Kreuzberg eine Wohnung sucht, findet kaum mehr bezahlbaren Wohnraum. Mieten über 20 € pro Quadratmeter sind keine Seltenheit. Zudem grassiert seit einigen Jahren ein Phänomen, das zu allem Übel das Angebot an unbefristet vermietetem Wohnraum verknappt: möbliertes Wohnen auf Zeit zu Mondpreisen. Dabei haben findige Geschäftsleute mal wieder einen Weg gefunden, das im Grunde ja mieterfreundliche Mietrecht zu umgehen. Denn wenn man befristet vermietet, gilt laut Bürgerlichem Gesetzbuch die Mietpreisbremse nicht. Und in den letzten Jahren hat sich möbliertes Wohnen auf Zeit massiv verbreitet: 70 % der Inserate für unseren Bezirk vermitteln möblierte Wohnungen auf Zeit. Die Mieterberatungsgesellschaft Asum hat im Auftrag des Bezirksamtes ermittelt, dass ein Großteil der Menschen, die möblierte Wohnungen auf Zeit anmieten, dies tun, weil sie keine normalen Wohnungen finden. Aber auch sogenannte „Global Citizens“, die sehr gut verdienen, sind die Kunden von Plattformen wie Wunderflats. Erst kürzlich wurde publik, dass in Neukölln mit krimineller Energie ein ganzes Haus für Studenten aus Asien umgebaut wurde. Für sehr kleine und billig eingerichtete Zimmer zahlten die Betroffenen Wuchermieten. Die Geschäftemacherei weist eine Bandbreite an Modellen und „Kunden“ auf, die nur schwer zu fassen sind. Sicher ist auch, dass Verträge oft rechtswidrig sind, viele Menschen also regelrecht abgezockt werden.

Missbrauch unterbinden

Doch nun die gute Nachricht: Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat mit Unterstützung des Juristen Dr. Beckmann einen Weg gefunden, möbliertes Wohnen auf Zeit zumindest in Milieuschutzgebieten zu unterbinden. Da mittlerweile im Bezirk über 90 % der Menschen in Milieuschutzgebieten wohnen, wäre dies eine spürbare Verbesserung der Mietsituation. Obwohl das Bezirksamt schon im Jahr 2021 aktiv wurde, nimmt die Idee, im Milieuschutz möbliertes Wohnen auf Zeit zu unterbinden, erst jetzt Fahrt auf. Im Januar dieses Jahres hätte das Verwaltungsgericht eigentlich ein Grundsatzurteil fällen sollen, wozu es aber nicht kam, weil der Kläger, ein Immobilienunternehmen, kurz vor Urteilsverkündung überraschend seine Klage zurückgezogen hatte. Aber der Reihe nach: Da sich schon im Jahr 2021 abzuzeichnen begann, dass „möbliertes Wohnen auf Zeit“ zum Problem wird, wagten wir den Schritt, diese Vermietungsform als eine Nutzung zu betrachten, welche dem Ziel des Milieuschutzes zuwiderläuft und daher untersagt werden kann. Das Kernargument: Das Geschäftsmodell „möbliertes Wohnen auf Zeit“ verknappt für die angestammte Wohnbevölkerung den notwendigen Wohnraum, damit die Bevölkerungsstruktur (das Milieu) aus städtebaulichen Gründen erhalten werden kann.

Kein Grundsatzurteil

Nachdem das Bezirksamt im Jahr 2021 gegenüber der Firma White Tulip im Fall von vier Wohnungen im Gebiet Weberwiese in Friedrichshain eine Nutzungsuntersagung erließ, legte das Unternehmen Widerspruch ein. Doch das Bezirksamt blieb bei seiner Auffassung, woraufhin 2022 White Tulip Klage einreichte. Erst am 16. Januar 2025 sollte die abschließende Verhandlung stattfinden. Zwischenzeitlich hatte allerdings Dr. Beckmann im Auftrag des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf ein Gutachten angefertigt, in dem er die Argumentation des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg systematisch darstellte. Das Gutachten wurde 2024 publik, und so wurden auch andere Bezirke aktiv – das Thema wurde zum Stadtgespräch. Alle blickten nun gespannt auf das anstehende Grundsatzurteil in unserem Bezirk.

Nutzungsuntersagungen

Mit der Zurücknahme der Klage lag der Verdacht nahe, dass White Tulip ein für sie und die anderen Geschäftemacher negatives Urteil verhindert hatte. Man kann die Zurücknahme der Klage als „Flucht vor einem Grundsatzurteil“ bezeichnen. In der Konsequenz wird das Bezirksamt jetzt aber auch ohne Rechtsprechung in der Breite seine neue Rechtsauffassung umsetzen – natürlich immer mit Augenmaß. Andere Bezirke sehen es ähnlich. Und so arbeiten nun mindestens sechs Bezirke parallel daran, möbliertes Wohnen auf Zeit zu unterbinden. Um das Wissen aller Bezirke zusammenzubringen, hatte ich im April alle Bezirksämter und den Senat zu einem Fachgespräch ins Rathaus Kreuzberg eingeladen. Daraus ging die Verabredung hervor, gemeinsam vorzugehen und sich bei rechtlichen Fragen gegenseitig zu unterstützen. Spannend wird nun, wann es das erste Urteil zur neuen Verwaltungspraxis der Berliner Bezirke geben wird. Wesentlich wird es darauf ankommen, ob die Nutzungsuntersagungen unmittelbar vollstreckbar sind. Bisher gab es dazu verschiedene Rechtsauffassungen. Zwar würde eine unmittelbare Vollstreckung nicht dazu führen, dass Mieter*innen ausziehen müssten. Aber nach Ablauf des temporären Mietvertrags dürfte für die jeweilige Wohnung kein neuer befristeter Mietvertrag abgeschlossen werden. Damit möglichst viele Nutzungsuntersagungen ausgesprochen werden können und damit ein deutliches Signal an die Geschäftemacher geht, ist das Bezirksamt auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen. Denn auf den Plattformen werden die Adressen der möblierten Wohnungen nicht genannt. Hier können Fälle gemeldet werden – auch anonym.

Beitrag vom Baustadtrat Florian Schmidt aus dem Xhain-Stachel Nr. 76, 2025/2