Antrag gestellt von Sarah Jermutus und Maria Haberer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 25. September 2024
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird aufgefordert, zeitnah eine “Taskforce für bedrohte Clubkultur” einzurichten und aufzubauen, um der anhaltenden Verdrängung und dem Verlust von Clubstandorten in Friedrichshain-Kreuzberg entgegenzuwirken.
Die “Taskforce für bedrohte Clubkultur in Friedrichshain-Kreuzberg” soll sowohl als regelmäßig tagendes und kurzfristig handlungsfähiges Notfallgremium, als auch für langfristige Strategieentwicklung eingerichtet werden. Dabei soll sie folgende Funktionen übernehmen:
- Zentrale Anlaufstelle für bedrohte Clubs, um Betreiber*innen schneller und gezielter mit den richtigen Ansprechpersonen in Politik und Verwaltung zusammenzubringen,
- Organisation und Begleitung von Verhandlungsgesprächen zwischen den betroffenen Stakeholder*innen,
- Langfristige Austauschrunde mit landeseigenen Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und privaten Unternehmen, um aktiv für soziokulturelle (Zwischen-) Nutzung zu werben und zu ermöglichen (Beispiel „Clubs im Neubau“ o.ä.),
- Erarbeitung und Pflege eines Kriterienkatalogs sowie Strategieentwicklung zur Identifikation und Akquise adäquater Ersatzflächen (siehe Kulturkataster, Liegenschaftskataster, Clubkataster etc.) und Lösungen durch verträgliche Mischnutzungen, um Flächen effektiver zu entwickeln.
Als Mitglieder dieser Taskforce kommen u.a. in Frage:
- die Abteilung Bauen, Planen, Kooperative Stadtentwicklung (BauPlanKoop)
- Abteilung für Schule, Sport und Facility Management (FM)
- die Abteilung Finanzen, Personal, Wirtschaft, Kultur, Diversity und Klima
- die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen (SenSBW)
- die Senatsverwaltung für Kultur und gesellschaftlichen Zusammenhalt (SenKULT)
- die Clubcommission (CC)
- Reclaim Clubculture (RCC)
- Kulturraum gGmbH
- AKS-Gemeinwohl (Koordinierungsstelle)
- Initiative Lokalbau
- Eine für Alle eG
- GSE gGmbH
- Stadtteilbüro Friedrichshain-Kreuzberg
- jeweils betroffene Clubstandorte.
Begründung:
Die drohende Verdrängung von Clubkultur und alternativen Räumen ist in Friedrichshain-Kreuzberg schon lange deutlich spürbar und verschärft sich weiter. Eine Mitgliederumfrage der Clubcommission ergab kürzlich, dass gut zwei Drittel der befragten Clubs (67%) ihre wirtschaftliche Prognose bis Ende 2025 als eher schlecht oder sogar sehr schlecht einschätzen. Gründe hierfür sind neben allgemeinen Kostensteigerungen, gestiegenen Gewerbemieten auch Umsatzrückgänge und weniger Besucher*innen. Nach jüngsten Berichten ist der Clubstandort “Wilde Renate” in der aktuellen Flächennutzung bedroht und muss ggf. bis Ende 2025 schließen. Durch den Ausbau der A100 stehen weitere etablierte Clubstandorte in unserem Bezirk vor dem Aus: Das About Blank, die Neue Zukunft, der Club Ost oder die Renate. (https://taz.de/Clubsterben-in-Berlin/!6027065/)
Doch nicht nur der Ausbau der Autobahn stellt eine Bedrohung dar, in Friedrichshain-Kreuzberg herrscht grundsätzlich hohe Flächenkonkurrenz. Unklare oder wechselnde Eigentumsverhältnisse, oft in Kombination mit kurzfristig kündbaren oder auslaufenden Gewerbemietverträgen bieten nur mangelhaften Schutz vor Verdrängung. Für die Künstler*innen, Kulturschaffenden und Kleinbetriebe ist dies existenzgefährdend: Geeignete Ersatzflächen für Clubkultur, Konzertstandorte und lärmendes Gewerbe im Bezirk zu finden ist fast unmöglich. Adäquate langfristige Strukturen zur Unterstützung der Betroffenen fehlen bislang. Ad-hoc-Reaktionen bei jedem Einzelfall sind dadurch fehleranfällig und zu langsam. Entsprechend unbefriedigend sind derzeit oft die verbleibenden Eingriffs- und Unterstützungsmöglichkeiten. Es bedarf deswegen neu etablierter institutionalisierter Verfahrensweisen, um schnell koordinierte Reaktionen zu erarbeiten.
Die Einrichtung eines Zukunftsrats für die Zukunft am Ostkreuz hat sich im Jahr 2022 als erfolgreiches Gremium erwiesen, um eine Alternativplanung und die Vermittlung einer Ersatzfläche für die heutige “Neue Zukunft” zu organisieren. Aber anstatt projektbezogen und auf einzelne Clubstandorte fokussiert zu agieren, soll die “Taskforce für bedrohte Clubstandorte” gesamtheitlich und projektübergreifend tätig werden, um die lebendige Nacht – und Clubkultur in Friedrichshain-Kreuzberg zu erhalten.