Schriftliche Anfrage eingereicht von Jutta Schmidt-Stanojevic und Sarah Jermutus, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

 

1. Wie viele Planstellen gibt es in den Teilhabefachämtern Jugend und Soziales jeweils zur Betreuung der Personen, die sich an diese wenden?

Im Teilhabefachdienst (FB 3) des Amtes für Soziales gibt es für die direkte Betreuung 37 Planstellen. Davon sind 29 Planstellen im Bereich der Teilhabeplanung (SGB IX) und 8 Planstellen im Bereich der existenzsichernden Leistung (SGB XII) angesiedelt. Aufgrund von Teilzeitregelungen ergeben sich für den Bereich der Teilhabeplanung derzeit 22,425 Vollzeitäquivalente (VZÄ), ab Oktober 2024 23,925 VZÄ und für den Bereich der existenzsichernden Leistungen 7,07 VZÄ. Im Teilhabfachdienst Jugend (THFD Jug) gibt es insgesamt 6 Planstellen, davon eine Gruppenleitung und 5 Teilhabemanager*innen.

2. Wie viele dieser Stellen sind unbesetzt?

Im Amt für Soziales sind von den 37 Planstellen derzeit noch 3 unbesetzt. Im Oktober 2024 werden 2 Planstellen besetzt, sodass nur noch eine Planstelle unbesetzt ist. Auch für diese Stelle wird es Ende dieses Jahrs ein Auswahlverfahren geben. Im Jugendamt sind derzeit alle Stellen besetzt.

3. Wie viele Personen werden von einer Planstelle betreut?

Hier meldet das Amt für Soziales, dass im Bereich der Teilhabeplanung derzeit ca. 2.500 Personen betreut werden. Daraus resultiert eine durchschnittliche Betreuung je VZÄ von 111 Personen. Im Bereich der existenzsichernden Leistungen werden derzeit 1.300 Personen betreut. Daraus resultiert eine durchschnittliche Betreuung je VZÄ von 183 Personen. Im Jugendamt gibt es derzeit 50 laufende Fälle in der Eingliederungshilfe (SGB IX), 9 Fälle im Bereich Landespflegegeld nach dem Landespflegegeldgesetz (LPfGG) und 5 Fälle in der Hilfe zur Pflege (SGB XII).

4. Wie viele Personen werden insgesamt von den Teilhabefachämtern betreut?

Aktuell werden im Teilhabefachdienst Soziales Friedrichshain-Kreuzberg um die 2.500 Personen betreut. 1.300 Personen davon beziehen auch existenzsichernde Leistungen. Im Teilhabefachdienst Jugend Friedrichshain-Kreuzberg werden aktuell 220 Kinder und Jugendliche betreut.

5. In welchen Lebensbereichen werden sie beraten und betreut?

Hierzu meldet das Amt für Soziales: Grundlage der Bedarfserhebung bei Menschen mit Behinderungen bildet im Land Berlin das Teilhabeinstrument Berlin (TiB) nach § 118 Sozialgesetzbuch – Neuntes Buch – (SGB IX). Das ICF-4 basierte Bedarfserhebungsinstrument erfasst neun Lebensbereiche: 1. Lernen und Wissensanwendung, 2. Allgemeine Aufgaben und Anforderungen, 3. Kommunikation, 4. Mobilität, 5. Selbstversorgung, 6. häusliches Leben, 7. interpersonelle Interaktionen und Beziehungen, 8. bedeutende Lebensbereiche und 9. Gemeinschafts-, soziales und staatsbürgerliches Leben. Das TiB wird zusammen mit dem Menschen mit Behinderung erarbeitet und dessen ganz individueller Bedarf ermittelt. Daher ist die Frage, zu welchen Lebensbereichen beraten und betreut wird, auch nur individuell und nicht pauschal zu beantworten. Grundsätzlich wird zu allen Lebensbereichen beraten, in denen sich die Behinderung individuell auswirkt. Die eigentliche Begleitung und Unterstützung des Menschen erfolgt durch den Leistungserbringer, der in der Ziel- und Leistungsplanung gemeinschaftlich ausgewählt wird. Hierzu meldet das Jugendamt: Altersentsprechend werden die Personen in allen, im Teilhabeinstrument Berlin (TIB) vorgegebenen 12 Lebensbereichen beraten und betreut. Im Rahmen des SGB VIII wird der Personenkreis nach § 35a Eingliederungshilfe für Kinder, Jugendliche und junge Volljährige mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung betreut und beraten. Die jungen Menschen und die Sorgeberechtigten werden auch auf die Beratungsmöglichkeiten der „EUTB“ (Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung) hingewiesen. Die sorgeberechtigten Elternteile, Kinder und Jugendlichen werden zu allen Belangen, die im Rahmen von Eingliederungshilfe und auch Hilfen zur Erziehung auftreten, beraten. Dies sind hinsichtlich der jungen Menschen Angelegenheiten, die sie mittelbar und unmittelbar betreffen. Hinsichtlich der Sorgeberechtigten wird gehäuft in Angelegenheiten der Erziehungsausübung, Partnerschaftskonflikten und Schwierigkeiten mit Institutionen beraten. Die jungen Volljährigen werden ebenfalls im Rahmen der Teilhabebeeinträchtigung zu erforderlichen Aspekten wie z. B. Verselbstständigung, eigenverantwortliche Lebensführung, berufliche Perspektive etc. beraten und betreut.

6. Welche Absprachen bestehen zwischen den verschiedenen Bereichen, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, wenn Personen das Erwachsenenalter erreichen und sich die Zuständigkeit damit ändert?

Um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, wenn Personen das Erwachsenenalter erreichen und sich damit die Zuständigkeit ändert, bestehen umfassende Absprachen zwischen verschiedenen Bereichen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Kooperationsvereinbarung „Haus der Teilhabe“, die zwischen den Ämtern für Jugend, Gesundheit und Soziales geschlossen wurde. Die Vereinbarung fokussiert sich speziell auf den Übergang junger Menschen und basiert auf dem Verfahren, das im Rundschreiben 01/2021 der Senatsverwaltungen für Jugend und Soziales festgelegt wurde. Dieses Rundschreiben bildet die Grundlage für die Verwaltungspraxis der drei beteiligten Fachämter. Ergänzt werden diese Regelungen durch die Gemeinsamen Ausführungsvorschriften Eingliederungshilfe (AV EH), die ebenfalls als Grundlage für den Zuständigkeitswechsel dienen. Des Weiteren ist zu beachten, dass gemäß SGB VIII eine Betreuung über das 18. Lebensjahr hinaus möglich ist. Der Regionale Sozialpädagogische Dienst kann die Betreuung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres und in begründeten Einzelfällen sogar darüber hinaus fortführen. Somit erfolgt der Zuständigkeitswechsel nicht zwangsläufig mit Erreichen der Volljährigkeit. § 36b SGB VIII konkretisiert die Vorgaben zur Zusammenarbeit beim Zuständigkeitsübergang. Die Hilfeplanung stellt dabei ein zentrales Instrument dar, um die Übergabe an den zuständigen Rehabilitationsträger zu koordinieren. Die umfassenden Absprachen und Regelungen gewährleisten einen reibungslosen und koordinierten Übergang junger Menschen in das Erwachsenenalter.

7. Wie lange müssen Leistungsberechtigte durchschnittlich auf eine Leistungsbewilligung warten?

Im Amt für Soziales werden im Teilhabefachdienst keine statistischen Daten erhoben, aus denen sich eine durchschnittliche Dauer vom Antrag bis zu einer Leistungsbewilligung ermitteln ließe. Die Frage lässt zudem offen, ob existenzsichernde Leistungen nach dem SGB XII oder Teilhabeleistungen nach dem SGB IX gemeint sind. Die Dauer zwischen Antragstellung und Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe nach dem SGB IX ist von einer Reihe individueller Faktoren der leistungsberechtigten Person und ihrem Mitwirken im umfangreichen Prozess der Bedarfsermittlung abhängig. Ein weiterer Faktor ist das tatsächliche Vorhandensein passender Angebote oder eines freien Platzes in der Einrichtung eines geeigneten Leistungserbringers, auf welches der Teilhabefachdienst keinen oder nur sehr begrenzten Einfluss hat. Das Jugendamt meldet, dass eine reguläre Bearbeitungsdauer abhängig ist von der beantragten Leistung, der Vorlage aller notwendigen Unterlagen für eine Entscheidung (z. B. Gutachten …), dem Vorhandensein eines entsprechenden Angebotes für eine ambulante oder stationäre Maßnahme (freie Platzkapazitäten, ausreichend Fachkräfte …), der Einbeziehung weiterer Reha-Träger (Zuarbeit, Terminfindung …) sowie der Dauer von Hilfeplankonferenzen, wo sämtliche Beteiligte beizuziehen sind. In Abhängigkeit von der Prüfung der Teilhabbeeinträchtigung, der Einholung erforderlicher Unterlagen wie fachdienstlicher Stellungnahmen, Leistungsangeboten freier Träger und auch Personalnot bzw. Fachkräftemangel im Bereich der Eingliederungshilfe und der Jugendhilfe erfolgt eine Leistungsgewährung zwischen 3 Monaten bis zu 1 Jahr.

8. Welche Probleme werden im Verlauf der Beratungen von den Personen genannt, die sich hilfesuchend an die Teilhabefachämter wenden?

Das Amt für Soziales weist darauf hin, dass eine Aufzählung aller Probleme, welche ratsuchende Personen an den Teilhabefachdienst herantragen, den Rahmen dieser Beantwortung sprengen würde. Grundsätzlich werden die Teilhabeplanenden im Teilhabefachdienst mit allen erdenklichen Problemen in den oben aufgeführten Lebensbereichen konfrontiert und suchen gemeinsam mit den betroffenen Menschen nach Lösungsmöglichkeiten. Das Jugendamt gibt an, dass die Sorgeberechtigten häufig eigene Überforderung mit dem Verhalten ihres Kindes, Jugendlichen oder jungen Volljährigen benennen. Zudem beobachten sie, wie ihr Kind in den unterschiedlichsten Lebensbereichen an eigene Grenzen und auch an die Grenzen anderer stößt. Abhängig vom Alter des Kindes oder Jugendlichen werden unterschiedliche Probleme benannt. Häufig wird davon gesprochen, im direkten Umfeld bzw. in den Lebensbereichen nicht „regelkonform“/neurotypisch zu sein und auf Unverständnis, Aggression und Ablehnung zu stoßen. Junge Volljährige sind bereits in der Regel seit dem Kindes- bzw. Jugendalter dem Regionalen Sozialpädagogischen Dienst des Jugendamtes bekannt. Sie benennen Probleme wie Ausgrenzung, soziale Ängste. Des Weiteren werden folgende Problematiken genannt: fehlende soziale Integration, fehlende Angebote im Sozialraum, keine ausreichende Bereitstellung von Schulhelferstunden, Unterstützungsbedarf bei der Geltendmachung von Leistungen der Pflegeversicherung, bei der Beantragung eines Schwerbehindertenausweises, Belastung der Familie, Pflegebedürftigkeit.

9. Mit welchen Herausforderungen, Vorhaben und Ideen beschäftigt sich der Teilhabebeirat aktuell?

Im Teilhabebeirat erstatten die Vertreter*innen der Fachämter Jugend, Soziales und Gesundheit aus den Organisationen Bericht über ihre Tätigkeit. Der Beirat befasst sich zudem mit Problemstellungen und Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Bereitstellung, Gewährung und Umsetzung von Teilhabeleistungen auftreten. Eben jene Themen tangieren unter Umständen auch die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen, die weder zum Personenkreis der Menschen mit Behinderung i. S. d. § 99 SGB IX noch zu den Personen gehören, die von einer solchen Behinderung bedroht sind. Der Bezirkliche Teilhabebeirat gibt beispielsweise Themen wie bauliche Barrierefreiheit an den Berliner Teilhabebeirat weiter, um auf gesamtstädtische Phänomene aufmerksam zu machen und unvorteilhafter Beschaffenheit baulicher Strukturen entgegenzuwirken (z. B. Themeneinbringung zu barrierefreiem Bauen).

10. Inwieweit nimmt der Bezirk am Projekt Teilhabeorientiertes Sozialraummanagement teil?

Der Bezirk nimmt als Pilotbezirk am Projekt Teilhabeorientiertes Sozialraummanagement teil. Seit dem 01.12.2023 ist das Projekt implementiert und etabliert sich zunehmend. Das Ziel ist die Verbesserung der Lebens- und Teilhabesituation von Menschen mit Behinderungen im Quartier. Inklusionsberaterinnen werden bis 2029 in verschiedenen Berliner Bezirken eingesetzt, insbesondere in Stadtteilzentren wie Nachbarschaftszentren und sozialen Treffpunkten. Die Aufgaben der Inklusionsberaterinnen umfassen individuelle Beratung zur Verbesserung der Teilhabesituation sowie strukturelle Analysen der örtlichen Strukturen und Teilhabeangebote. In der Pilotphase bis zum 31.08.2025 werden mehrere Inklusionsberaterinnen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg eingesetzt. Dabei werden verschiedene Einsatzorte und Formen der Zusammenarbeit erprobt. Ein breites Netzwerk unterschiedlicher Akteure im Sozialraum arbeitet eng mit dem Bezirk zusammen, um die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu unterstützen und das Bewusstsein für ein inklusives Gemeinwesen zu fördern. Das Projekt wird aus Mitteln der Europäischen Union (Europäischer Sozialfonds Plus) und des Landes Berlin finanziert und vom Verband für sozial-kulturelle Arbeit e. V. – Landesverband Berlin in Zusammenarbeit mit der Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung umgesetzt. Die Inklusionsberaterinnen stellten ihre Arbeit am 27.06.2024 den Mitgliedern des Behindertenbeirats vor. Eine Präsentation im bezirklichen Teilhabebeirat erfolgte am 21.03.2024.

11. Welche Bereiche und Aspekte finden dabei Berücksichtigung?

Im Rahmen des Projektes werden sowohl die sozialraumtheoretischen als auch die sozialraumpraktischen Ebenen berücksichtigt. Das teilhabeorientierte Sozialraummanagement arbeitet in seinem Sinne sowohl in einem abstrakt-strukturellen als auch in einem konkret-individuellen Bereich. Durch Netzwerk- und Gremienarbeit in den Kiezen sowie mit der Verwaltung und Politik wird systemisch gearbeitet, wobei auch politische und organisatorische Aspekte berücksichtigt werden. Des Weiteren arbeitet das Sozialraummanagement mittels Netzwerkarbeit mit Personen und persönlicher Beratung zur individuellen Teilhabe auf der lebensweltlichen Ebene. Auf der Ebene der Lebenswelt werden persönliche Aspekte angesprochen. Die Beratung steht auch Personen offen, die keinen Leistungsanspruch auf Teilhabe nach dem SGB IX haben. Das Projekt identifiziert Teilhabemöglichkeiten und erfasst diese im Sinne sogenannter Best-Practice-Beispiele. Die Erfahrungen werden im Rahmen des Auftrags multipliziert. Neben der Identifizierung von Möglichkeiten werden auch Teilhabe- und Inklusionsbarrieren erfasst, um Zugänge gestalten zu können und Barrieren aller Art abzubauen.

12. Inwieweit spielen Menschen mit Behinderungen dabei eine besondere Beachtung?

Da das Sozialraummanagement als teilhabeorientiert in dem Projekt angelegt ist, finden Menschen mit Behinderung und deren Angehörige – insbesondere die Menschen, die leistungsberechtigt i. S. d. SGB IX sind – besondere Beachtung.

Mit freundlichen Grüßen
Oliver Nöll, Bezirksstadtrat