Mündliche Anfrage gestellt von Jutta Schmidt-Stanojevic, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 16. Oktober 2024

  1. Wie viele Beschwerden aufgrund diskriminierenden Verhaltens wurden in Bezug auf das bezirkliche Standesamt in den letzten 3 Jahren gemeldet?
  2. Wie bewertet das Bezirksamt diese Vorkommnisse?
  3. Wie will das Bezirksamt in Zukunft verhindern, dass Menschen im bezirklichen Standesamt aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden?

Es antwortet Oliver Nöll, Stellvertretender Bezirksbürgermeister, Abt. für Arbeit, Bürgerdienste und Soziales

zu 1. Wie viele Beschwerden aufgrund diskriminierenden Verhaltens wurden in Bezug auf das bezirkliche Standesamt in den letzten 3 Jahren gemeldet?

In den vergangenen drei Jahren wurden 11 Beschwerden mit Diskriminierungsvorwurf gegen das Standesamt eingereicht. Um das mal ins Verhältnis zu stellen ein paar Zahlen zum Vergleich: Das bei 70.000 Beurkundungen. Wir hatten im Jahr 2023 3.132 Babys, die allein im Vivantes in Friedrichshain geboren wurden. Diese Zahl dürfte sich deutlich erhöht haben, weil sie ihre Kreißsaalkapazitäten verdoppelt haben von vier auf acht Kreißsäle, d.h. eine verschwindet geringe Zahl.

An dieser Stelle vielleicht auch ganz eindeutig, deswegen habe ich mich über diese Frage wirklich gefreut, ich möchte mich angesichts dieser Zahlen ganz eindeutig vor die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor die Standesbeamtinnen und Standesbeamten bei uns im Standesamt stellen. Neben diesen Zahlen, die wir eben gehört haben, gibt es eine Änderung des Personenstandrechts. Wir haben 12,5 besetzte Stellen, zwei Stellen sind derzeit ausgeschrieben. Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten unter Hochdruck und dieser Vorwurf, es gehe hier um gezielte Diskriminierung ist schon von daher quatsch, wenn man sich die Besetzung in dem Standesamt anschaut. Dieses Standesamt ist genauso divers besetzt, wie unser Bezirk ist.

Mir ist es eindeutig wichtig hier deutlich zu machen, dass unsere Standesbeamtinnen und -beamten nach geltend rechtlichen Vorschriften arbeiten und alle Fälle sorgfältig prüfen. Das einzelne gesetzliche Bestimmungen nicht für jeden im Einzelnen nachvollziehbar sind, das sei dahingestellt, aber den Vorwurf der Diskriminierung gegen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weise ich hiermit deutlich zurück.

zu 2. Wie bewertet das Bezirksamt diese Vorkommnisse?

Der Diskriminierungsvorwurf hat sich in keinem der Einzelfälle bestätigt. In den meisten Fällen handelte es sich um Überprüfung von Namensführung oder Anerkennung von ausländischen Heirats- oder Geburtsurkunden vor Ausstellung von deutschen Personenstandsurkunden.

Wie der Berichterstattung, auf die Sie sich ja bezogen haben, zu entnehmen war, und es wurde auch von der Innenverwaltung bestätigt, haben wir es in den Einzelfällen, wie in den Medien berichtet wurde, mit Unstimmigkeiten zu tun, die insbesondere das Einbürgerungs- und Namensrecht betreffen. Diese müssen auf Grundlage gesetzlicher Regelungen geprüft werden. Es gibt auch kein Ermessensspielraum, es muss geprüft werden.

Dass das im Einzelfall, ich wiederhole mich da, vielleicht nicht für jeden sofort nachvollziehbar ist, kann ich auch verstehen, aber es handelt sich auf gar keinen Fall um Diskriminierung.

zu 3. Wie will das Bezirksamt in Zukunft verhindern, dass Menschen im bezirklichen Standesamt aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihrer Behinderung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Identität diskriminiert werden?

Jede Beschwerde wurde auf den Diskriminierungstatbestand geprüft, also alle 11 und beantwortet. In einigen Fällen wurde die Einschätzung der Fachaufsichtsbehörde, Senatsverwaltung für Inneres eingeholt. Auch hier hat sich kein Vorwurf bestätigt.

Die fachliche Entscheidung von Standesbeamtinnen und Standesbeamten können nur von einem Gericht überprüft werden.

Nachfrage 1: Ja, vielen Dank Herr Nöll, aber dann hätte ich doch noch eine Frage: Welche Schulungen bekommen denn die Mitarbeiter des Standesamts in Sachen Namensrecht und Urkunden ausstellen, um solche Fälle von namensverwirrend und Namensnichtfeststellung irgendwie da nachzuvollziehen? Also wenn solche Probleme auftauchen, und da muss es ja irgendwie eine Schulung geben, dass man so was ausschließen kann.

Entgegen der Berichterstattung wäre das in diesem Fall nicht auszuschließen gewesen, weil es schlicht und einfach eine Regelungslücke im Kontext zweier Gesetze ist. Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter im Standesamt haben sich völlig korrekt verhalten. Das ist auch dem entsprechenden Schriftwechsel, der mir vorlag, zu entnehmen. Ich werde jetzt hier nicht ins Detail gehen, weil, das ist ein Einzelfall, das werden Sie verstehen, ich möchte nicht gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen, aber ich kann Ihnen sagen, dass nach sorgfältiger Prüfung die Kolleginnen und Kollegen standesamtlich sich völlig korrekt verhalten haben.

Ich müsste mal darüber nachdenken, ob das Einbürgerungsrecht, das Namensrecht tatsächlich zwei Rechtsnormen sind, die an der Stelle zusammenpassen, aber das ist, glaube ich, hier nicht der Ort, um das entscheiden zu können.

Nachfrage 2: Aber soweit mir bekannt ist, ist auch ein Fall beim gleichgeschlechtlichen Ehepaar ein Problem aufgetaucht mit der Geburtsurkunde für ihr Kind. Also da scheint es ja auch irgendwie Probleme zu geben. Und ich meine, irgendwie scheint es ja wirklich so zu sein, dass es Probleme beim Standesamt gibt, die man grundsätzlich immer ausschließen muss, weil, jeder Einzelfall ist dann auch irgendwann die Regel. Also man muss das halt einfach ausschließen, dass sowas überhaupt passiert.

Also Sie können davon ausgehen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen ausreichend geschult sind. Ich werde auch in dem Fall nicht auf Details eingehen.

Ich möchte nur mal darauf hinweisen: 70.000 Beurkundungen, 11 Beschwerden wegen angeblicher Diskriminierung. In jedem einzelnen Fall, die werden geprüft, es gibt dort Verwaltungsverfahren, auch von der Fachaufsicht der Senatsinnenverwaltung. Es hat sich keiner als tatsächlich manifest dargestellt. So.

Also weiß ich nicht, wie man das vermeiden sollte. Also festgestellt ist, es ist …, keiner dieser Diskriminierungsvorwürfe war am Ende haltbar.

Nachfrage 3 und 4 (Herr Pascal Striebel, B‘90/Die Grünen): Vielen Dank für die Beantwortung. Es ist natürlich in Teilen zumindest nachvollziehbar, dass die Standesbeamt*innen vielleicht nicht immer das rechtliche Handwerkszeug haben, um jeden Fall so gut bearbeiten zu können, wie es vielleicht notwendig wäre. Deswegen trotzdem noch mal die Frage: Können Sie nachvollziehen, da Sie ja gesagt haben, passt vielleicht nicht immer und ist nicht für jeden sofort nachvollziehbar. Können Sie nachvollziehen, dass dieser Eindruck entstanden ist und wie garantieren Sie oder wie stellen Sie sicher, dass in dieser Bearbeitung quasi erklärt wird, warum diese Entscheidungen getroffen werden, dass dieser Eindruck sich vielleicht möglichst nicht festsetzen kann?

Herr Striebel, eindeutig, ich kann nicht ausschließen, dass dort Fehler gemacht werden und ich möchte noch mal auf …, dass kann ich übrigens …, das kann kein Mensch in einem Bereich, wo gearbeitet wird.

Ich möchte noch mal darauf hinweisen, diese Zahlen, die ich eben genannt habe, ich habe 12,5 besetzte Stellen, 2 sind in der Ausschreibung. Es gibt keine Garantie, dass keine Fehler gemacht werden und ja, das habe ich auch eingangs gesagt, den Unmut der Betroffenen kann ich nachvollziehen und ebenso ja, das gilt für alle unserer Bereiche im Bezirksamt. Wir können immer darüber nachdenken, unsere Kommunikation zu verbessern.

Aber ich schließe hier noch mal eindeutig aus, dass es sich in den geschilderten Fällen um Diskriminierung gehandelt hat, und das ist der wichtige Punkt für mich. Ich kann nicht ausschließen, dass wir Fehler machen und ich kann auch nicht ausschließen aufgrund der Arbeitsbelastung, dass an der einen oder anderen Stelle in der Kommunikation mal was schiefläuft. Das werde ich auch in Zukunft nicht können. Das zu versprechen, wäre nicht seriös.