Schriftliche Anfrage eingereicht von Olja Koterewa, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Die Antwort erfolgte am 30.06.2025 vom der  Abt. Jugend, Familie und Gesundheit

Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:

1. Wie viele unbegleitete, geflüchtete Minderjährige sind gerade in der Zuständigkeit des Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg und wie viele sind davon in Obhut genommen und erhalten somit Hilfen zur Erziehung?

Die Anfrage „gerade“ ist unbestimmt. Als Datenquelle werden gültige Leistungs-Abos aus Fachverfahren SoPart-WJH herangezogen. Die Inobhutnahme ist keine Hilfe zur Erziehung, sondern eine Leistung der Jugendhilfe. Die Inobhut-nahme von unbegleitet minderjährigen Flüchtlingen erfolgt durch die Senatsverwaltung zentral. Mit Stand 05/2025 werden durch das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg, Fachbereich Familienunter-stützende Hilfen und Kinderschutz, Team für Flüchtlinge, 221 junge Menschen betreut. Alle 221 erhalten Hilfe zur Erziehung. Die Inobhutnahme ist mit Einsetzen eines Vormundes beendet, da dieser nach Bestallung den Antrag auf Hilfe zur Erziehung stellt.

2. Wie viele unbegleitete, geflüchtete Minderjährige fielen seit 2019 bis 2024 in die Zuständigkeit des Jugendamtes Friedrichshain-Kreuzberg? Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.
UMF mit Leistungen gem. SGBVIII

die Tabelle dazu hier: PDF zur Drucksache

3. Wie viele Fälle der Hilfen zur Erziehung für unbegleitete, geflüchtete Minderjährige wurden seit 2019 bis 2024 beendet? Bitte um Nennung absoluter Zahlen und Aufschlüsselung nach Jahren.

siehe unter 2.

4. Wie viele Fälle sollen nach aktueller Planung dieses Jahr (2025) beendet werden? Bitte um Nennung absoluter Zahlen und um Aufschlüsselung nach Monaten.

Anzahl der Beendigungen bis 05-2025: 129
Anzahl mit Hilfe-Ende von 06-2025 bis 12-2025: 178
Diese Zahlen beziehen sich ebenfalls auf die unter Nr. 1 beschriebene Datenquelle. Bei den Hilfen zur Erziehung handelt es sich um Individualleistungen, die entsprechend der gültigen AV Hilfeplanung im Abstand von sechs Monaten zu überprüfen sind. Die o.g. Zahlen entsprechen dem Ende der jeweiligen Kostenübernahme bzw. Bescheid. Grundsätzlich wäre es in allen Fällen möglich, dass eine Beendigung oder aber auch eine Fortsetzung erfolgt ist/erfolgen wird. Absolute Zahlen liegen nicht vor.

5. Wie alt sind die Kinder, Jugendlichen und jungen volljährigen, deren Fälle dieses Jahr beendet werden sollen?

Erklärung Tabelle: PDF zur Drucksache

Diese Zahlen beziehen sich ebenfalls auf die unter Nr. 1 beschriebene Datenquelle. Bei den Hilfen zur Erziehung handelt es sich um Individualleistungen, die entsprechend der gültigen AV Hilfeplanung im Abstand von sechs Monaten zu überprüfen sind. Den u.g. Zahlen liegen die jeweils aktuellen Kostenübernahmen bzw. Bescheide zugrunde. Grundsätzlich wäre es in allen Fällen
möglich, dass eine Beendigung oder aber auch eine Fortsetzung erfolgt ist/erfolgen wird. Absolute Zahlen liegen nicht vor. > siehe hier PDF zur Drucksache

6. Wie alt waren die Kinder, Jugendlichen und jungen Volljährigen durchschnittlich, deren Fälle in den Jahren 2019 und 2024 beendet wurden? In wie vielen Fällen wurden statt stationärer Hilfe für junge Volljährige nur ambulante Hilfen gewährt? Bitte aufschlüsseln?

7. Fanden zur diesjährig geplanten Beendigung von Fällen bereits dazugehörige Hilfeplangespräche statt? Wenn ja, bitte um Angabe in wie vielen Fällen.

Ja, fanden statt. Eine Aufschlüsselung kann mangels Datenlage leider nicht in absoluten Zahlen erfolgen.

8. In welcher Form wird die Beendigung eines Falles dem betroffenen Kind, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen mitgeteilt?

Hilfebeendigungen im Bereich der unbegleitet minderjährigen Kinder und Jugendlicher erfolgen aufgrund der Minderjährigkeit und mangelnden Alternativen nicht. Junge Volljährige sind in den Hilfeplanprozess gem. § 36 SGB VIII integriert. Absprachen erfolgen in der Regel im Beisein der Antragsteller (Hilfekonferenz). Als Antragsteller wird ihnen ein Bescheid zugestellt. Abbrüche erfolgen bei nicht ausreichender Mitwirkung im Rahmen der Hilfegewährung.

9. Welche Rechtsmittel stehen den Kindern, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen zur Verfügung, um gegen Beendigungsbescheide ggf. Einspruch zu erheben?

Wenn eine Hilfe zur Erziehung oder eine sonstige Leistung nach dem SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) durch das Jugendamt beendet wird, handelt es sich in der Regel um einen Verwaltungsakt, gegen den Rechtsmittel eingelegt werden können. Folgende Rechtsmittel stehen Kindern, Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen (ggf. vertreten durch ihre Sorgeberechtigten oder Vormünder) zur Verfügung:

1. Widerspruch (§ 84 SGG i. V. m. § 36 SGB X)

Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids kann schriftlich oder zur Niederschrift Widerspruch beim zuständigen Jugendamt eingelegt werden. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung (§ 86a SGG), d. h. die Hilfe darf grundsätzlich nicht beendet werden, bevor über den Widerspruch entschieden wurde.

2. Klage beim Verwaltungsgericht (§ 42 VwGO)

Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids
Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. Auch hierbei kann in einem Eilverfahren ggf. vorläufiger Rechtsschutz beantragt werden (§ 123 VwGO), um die Leistung zunächst weiterzuführen.

3. Rechtliche Vertretung

Minderjährige haben i. d. R. keinen eigenen Anspruch auf Einlegen eines Rechtsmittels, wenn sie noch nicht volljährig sind. Hier handeln die Personensorgeberechtigten oder Vormünder. In bestimm-ten Fällen, insbesondere wenn ein Interessenkonflikt mit den Sorgeberechtigten besteht, kann ein Verfahrensbeistand (§ 158 FamFG) oder ein ergänzender Vormund notwendig werden.
Hinweis: Ein Beendigungsbescheid muss immer schriftlich, begründet und mit einer Rechtsbehelfsbe-lehrung versehen sein (§ 35 SGB X). Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung, verlängert sich die Frist für den Widerspruch auf ein Jahr. Bei rechtlichen Unsicherheiten ist es empfehlenswert, sich an eine Be-ratungsstelle, einen Rechtsanwalt für Sozialrecht oder eine Ombudsstelle der Jugendhilfe zu wenden.

10. Wie stellt das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg sicher, dass die formalen Voraussetzungen für etwaige Einsprüche zu Beendigung von Hilfen den Betroffenen altersgerecht und verständlich kommuniziert werden?

Antragsteller werden im Bescheid entsprechend der rechtlichen Vorgaben informiert.

11. Welche Verfahrensvorgaben sind vor Beendigung von Hilfen zur Erziehung bei unbegleite-ten, minderjährigen Geflüchteten grundsätzlich einzuhalten?

Die Beendigung einer Hilfe zur Erziehung bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) unter-liegt besonderen rechtlichen und fachlichen Anforderungen. Diese ergeben sich aus dem SGB VIII, dem Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie den besonderen Schutzbedürfnissen dieser Zielgruppe.
Zunächst ist gemäß § 36 SGB VIII vor jeder Entscheidung über die Beendigung einer Hilfe zwingend ein Hilfeplangespräch durchzuführen. Dabei ist sicherzustellen, dass der junge Mensch entsprechend seines Alters und Entwicklungsstandes angemessen beteiligt wird. Falls sprachliche Barrieren beste-hen, muss ein qualifizierter Dolmetscher hinzugezogen werden. Darüber hinaus ist die Beteiligung des Vormunds gesetzlich verpflichtend, ebenso wie die Einbindung des Trägers der Einrichtung, in der der junge Mensch betreut wird. Die Einschätzung des Hilfebedarfs und die Entscheidung über die Beendigung der Hilfe sind nachvollziehbar zu dokumentieren und fachlich zu begründen.
Zudem muss eine sorgfältige Prüfung erfolgen, ob die Beendigung der Hilfe mit dem Wohl des Kin-des oder Jugendlichen vereinbar ist. Deshalb ist zu bewerten, ob der junge Mensch ausreichend auf das Ende der Hilfe vorbereitet wurde und ob er bereits ein Maß an Selbstständigkeit erreicht hat, das eine Beendigung rechtfertigt.
Eine Beendigung einer Hilfe für eine minderjährige unbegleitete Person erfolgt in der Regel nicht, es sei denn, sie ist über einen längeren Zeitraum unbekannten Aufenthalts (abgängig).

12. Kam es in der Vergangenheit oder kommt es derzeit zu Problemen bei der Einhaltung der Verfahrensvorgaben vor Beendigung von Hilfen zur Erziehung bei unbegleiteten, minder-jährigen Geflüchteten, zu Problemen, die eine angemessene Bewertung, Bearbeitung und Begleitung der betroffenen Fälle ge- oder verhindert hat? Wenn ja, bitte um Nennung der Anzahl der Fälle und der Gründe.

Nein.

13. Welche spezifischen pädagogischen Unterstützungsbedarfe gibt es bei der Zielgruppe der unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten? Kann das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg die notwendigen spezifischen Unterstützungsbedarfe leisten und werden sie aktiv angeboten? Wenn nein, warum nicht?

Überproportional in Jugendhilfemaßnahmen vertreten sind Alleinerziehende und Menschen mit einem sogenannten Migrationshintergrund (Haller/Wolf 2023). Das sind auch die Bevöl-kerungsgruppen, die am stärksten von Inobhutnahmen betroffen sind (siehe Statistisches Bundesamt 2023a).
– Die jungen Menschen sind allein, ohne Begleitung und familiären Anschluss in einem für sie fremden Land.
– Die jungen Menschen sind häufig aufgrund der desolaten Situation im Herkunftsland trauma-tisiert und stark beeinträchtigt.
– Die jungen Menschen sind häufig nur wenige Jahre zur Schule gegangen und benötigen Un-terstützung beim Spracherwerb und bei der Schulbildung.
– Sie benötigen Sprach- und Kulturdolmetscher.
– Sie benötigen therapeutische Angebote, um die erlebten Traumata aufzuarbeiten.
– Sie benötigen eine Perspektive, um Halt in der Gesellschaft und um Zuversicht und Vertrauen zu sich selbst aufzubauen.

14. Wie viele Inobhutnahmen aus Familien heraus gab es im Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg von 2019-2024? Was sind die Vergleichszahlen zu Gesamt Berlin und in der Bundesrepublik?
Bitte aufschlüsseln auch nach Bevölkerungsgruppen/Nationalitäten und Vergleichszahlen (s.o 14.)

Die Befragung der Beschäftigten zum Migrationshintergrund finden Sie zur Selbstinformati-on u.a. hier: https://www.berlin.de/lb/intmig/partizipation/partizipationsgesetz/befragung/ Da die Befragung anonym und freiwillig erfolgte, sind daraus keine direkten Rückschlüsse auf (Lei-tungs-) Funktionen und /oder Personen möglich.
Es gab keine Inobhutnahmen von minderjährig unbegleiteten Geflüchteten aus Familien heraus.

15. Daher fragen wir das Jugendamt Friedrichshain-Kreuzberg wie viele Beschäftigte haben einen sogenannten Migrationshintergrund? Bitte aufschlüsseln nach Position und Zuständigkeitsbereich? Wie viele sind in Leitungsfunktionen? Bitte um Angaben in totalen und prozentualen Zahlen

Ob Beschäftigte einen Migrationshintergrund haben wird vom Jugendamt weder gesondert erfasst, erfragt oder nachgehalten. Daher können hierzu keine statistischen Aussagen getroffen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Max Kindler
Bezirksstadtrat

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