Mit dem Silvio-Meier-Preis, der in diesem Jahr am 4. Juli zum zehnten Mal verliehen wird, unterstützen und ehren die Bezirksverordnetenversammlung und das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg das Engagement von Menschen und Gruppen, die sich in unserem Bezirk aktiv gegen soziale Bevormundung, Entmündigung, Diskriminierung, soziale und kulturelle Ausgrenzung, gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und andere Formen menschenfeindlicher Einstellungen einsetzen oder eingesetzt haben. Und die wir heute notwendiger denn je brauchen. Noch nie wurden in Berlin so viele Vorfälle rechter und menschenverachtender Propaganda und Gewalt erfasst wie im Jahr 2024: Die Berliner Register dokumentierten insgesamt 7.720 Meldungen. Und auch für unseren Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dokumentiert die Registerstelle mit 587 Vorfällen eine deutliche Steigerung.

Ein Blick zurück nach vorn

Eine neue extrem rechte Jugendkultur mit ästhetischem Bezug zu den 1990er Jahren bedroht wieder Menschen, die nicht in das extrem rechte Weltbild passen. Die Neonazis gewinnen dabei durch Kampfsporttrainings und organisierte gewaltvolle Angriffe an Selbstbewusstsein und beanspruchen verstärkt öffentliche Räume für sich. Neonazis und rechte Jugendgruppen griffen gezielt Aktivist*innen, Medienvertreterinnen und Politikerinnen an. Zudem verbreiteten sie rechte Propaganda und Einschüchterungen im öffentlichen Raum. So wurde insbesondere Friedrichshain vermehrt zum Schauplatz für extrem rechte Drohgebärden: Mehrfach versuchte die extreme Rechte durch Friedrichshain zu ziehen und wollte dabei insbesondere die linke oder alternative (Sub)Kultur ins Visier nehmen. Diffamierung und Gewalt gegen politische Gegner*innen oder Menschen, die sich für eine offene Gesellschaft engagieren oder nicht in ihr Weltbild passen, haben extrem zugenommen. Das Ziel: Menschen einzuschüchtern und sie dazu zu bringen, ihr zivilgesellschaftliches Engagement zu beenden. Um so beunruhigender, dass inzwischen auch CDU, FDP und BSW diese Entwicklungen ignorieren. Sie diffamieren zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts, stellen finanzielle Unterstützung in Frage, übernehmen rechte Narrative und machen sie damit „gesellschaftsfähig“. Und sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die mediale Öffentlichkeit scheinen auf dem rechten Auge blind zu sein.

Silvio Meier

All dies erinnert fatal an die 90er Jahre. Und an das „Schicksal“ von Silvio Meier. Am 21. November 1992 wurde der 27-jährige Silvio Meier im U-Bahnhof Samariterstraße in Friedrichshain erstochen. Die Polizei sprach damals von einem Streit zwischen Jugendgruppen. Ein politischer Hintergrund wurde geleugnet. In Wahrheit aber waren die Täter jugendliche Neonazis. Silvio Meier wurde so nicht nur zu einem Opfer rechter Gewalt, sondern darüber hinaus zu einem Symbol für den Kampf gegen Rechts. Gegen die Ignoranz, Leugnung und fehlende Anerkennung der Gefahr rechter Gewalt durch den Staat und seine Repräsentant*innen. Doch nicht nur sein gewaltsamer Tod, sondern mehr noch sein Leben und politisches Wirken, das mutige Eintreten gegen jede Form von Dogmatismus, Entmündigung, Zwangsherrschaft und soziale Exklusion machen Silvio Meier zu einem herausragenden Beispiel zivilgesellschaftlichen Engagements. Er war unter anderem in der Friedens- und Menschenrechtsbewegung der DDR aktiv, gehörte zu den Mitbegründern der „Kirche von unten“, organisierte Konzerte verbotener Bands, war aktiv an der Vorbereitung der legendären Frühlingsfeste der Berliner Punks beteiligt und gehörte auch nach der Wende zur frühen Antifa- und Hausbesetzer*innenszene in Friedrichshain.

Der Preis und wie mensch ihn bekommt

Mit dem Silvio-Meier-Preis ehrt der Bezirk Einzelpersonen, Gruppen, Initiativen oder Projekte, die sich im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg aktiv gegen soziale Bevormundung, Entmündigung, Diskriminierung, soziale und kulturelle Ausgrenzung einsetzen oder eingesetzt haben. Außerdem werden herausragende Handlungen oder das Zeigen von Zivilcourage gegenüber rechtsextremistisch und rassistisch motivierter Gewalt oder Aktionen geehrt.

Die Preisverleihung

Die öffentliche Ehrung und Verleihung erfolgt nicht am Todestag Silva Meiers, sondern am 4. Juli um 18.00 Uhr im Jugend[widerstands]museum in der Rigaer Straße 9 in Friedrichshain. Damit wird an den Kirchentag von Unten in Ostberlin im Juni 1987 erinnert. Dieser war für Silvio Meier und die Friedens-, Umwelt- und Menschenrechtsbewegung in der DDR einer ihrer größten politischen Erfolge. Insbesondere Angehörige, Freund*innen sowie die in der Jury vertretenen Initiativen sind der Meinung, dass nicht Silvios gewaltsamer Tod, sondern sein Engagement, seine Kreativität, sein Mut und sein Umgang mit politischen Missständen als Basis für die Preisverleihung erkennbar sein sollen. Und an Euch und euren Vorschlägen liegt es nun, wer in diesem Jahr mit dem Silvio Meier Preis 2025 geehrt wird. Lasst uns ein Zeichen setzen!

Beitrag vom BVV-Vorsteher Werner Heck aus dem Xhain-Stachel Nr. 76, 2025/2